„Zeitreise ins barocke Rom“
Am Ostersamstag 8. April 2023, spielen die Berliner Philharmoniker Händel. Am Pult steht die ausgewiesene Barockexpertin Emmanuelle Haïm, als Solisten sind Elsa Benoit, Julia Lezhneva, Iestyn Davies und Anicio Zorzi Giustiniani zu erleben. Bei der Berliner Aufführung von Georg Friedrich Händels Oratorium „Il trionfo del Tempo e del Disinganno“ waren auch ein paar Kritiker dabei und waren begeistert:
Die Aufführung kann vom ersten bis zum letzten Ton mitreißen
Sehr lebendig und vom ersten bis zum letzten Ton des Werks mitreißend klingt das. Hymnisch eindringlich in den ruhigen Passagen, während das Orchester in den schnellen Sätzen wie ein Wirbelwind durch die Partitur fegt. Die Philharmoniker leisten dabei Beachtliches, allen voran der Konzertmeister Daishin Kashimoto in seinen virtuosen Soli. Die Sänger ebenso. Mit verführerischer Wärme und Fülle ohne jede Grellheiten agierte Elsa Benoit als „Bellezza“, mit engelsgleicher Schönheit formte Julia Lezhneva als „Piacere“ ihre Töne und zeigt dabei farblich wie dynamisch ein enormes Spektrum. Auch die beiden Männer überzeugten.
Die Kritikerin der Berliner Morgenpost weiter: „Ein wunderbares Stück Musik. Vor allem, wenn sie so interpretiert wird wie von Emmanuelle Haïm und den Philharmonikern. Die französische Dirigentin zählt zu den führenden Figuren der Alte-Musik-Szene. Viele Jahre wirkte sie im renommierten Ensemble „Les Arts Florissants“ als Cembalistin und musikalische Assistentin des Ensembleleiters William Christie, später wurde sie Assistentin von Simon Rattle. Sie dirigiert auch gerne mal mit der geballten Faust und weiß genau was sie will.
Zeitreise ins barocke Rom
„Il trionfo“ fasziniert als historischer Screenshot aus dem barocken Rom, doch seine Moralität fordert einen als Menschen des 21. Jahrhunderts heraus. Wir kommen aus der Dunkelheit, wir gehen in die Dunkelheit, dazwischen ein kurzer Blitz: das Leben.
Händel hat dazu funkelnde, herrliche Arien geschrieben, mit Zeitlupen-Koloraturen, Sonatas und zwei Quartetten – Musik, die auch durch Einfachheit anrührt, etwa bei Disingannos Auftrittsarie, die von einem schlichten, chromatisch fallenden Cellothema begleitet wird. Countertenor Iestyn Davies singt sie mit Zartheit…Die Philharmoniker sind natürlich kein Originalklangensemble, sie spielen auf modernen Instrumenten, mit modernem Musikverständnis. Da wird nichts gekappt, sondern dramatisch zugespitzt, scharf und kristallinklar ist der Strich. Emmanuelle Haïm hat eine spezielle Gestik, manchmal extrem präzise und ausgeformt, manchmal zuckt sie nur ein bisschen mit den Schultern, aber die Philharmoniker scheinen immer zu wissen, was sie will.
Berliner Tagesspiegel
Haïms scharfsinnige, inspirierte Interpretation und vier talentierte, breit aufgestellte Solisten
Ob am Pult der Berliner Philharmoniker oder am Cembalo sitzend, Haïm war zweifellos der wichtigste Impulsgeber des Abends. Die französische Dirigentin verstand es, diese Vielfalt nicht nur zu erfassen, sondern durch eine optimale Wahl der Tempi zu unterstreichen, und vertraute darauf, dass die Musiker ihr entsprechend folgen würden. Und das taten sie auch und passten sich den häufigen Tempo- und Dynamikwechseln an. Die sorgfältige Beachtung der Dynamik reichte vom Fortissimo der Anfangsakkorde von Tempos Arie "Urne voi" bis zum Pianissimo der allerletzten Takte, in denen nur noch die erste Violine zu spielen hat. Im konzertanten Wechsel zwischen Solo und Tutti hatten einzelne Instrumente zahlreiche Gelegenheiten, hervorzustechen und miteinander zu kommunizieren, wobei dem Konzertmeister Daishin Kashimoto, dem Cellisten Martin Löhr und dem Oboisten Jonathan Kelly besonderes Lob gebührt. Im Allgemeinen fand Haïm einen dramatischen Schwung, der wie ein wohltuender Rückenwind durch die Abfolge von Rezitativen und Arien segelte.
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