Welle auf Welle
Musiklupe: „Des Baches Wiegenlied“
Den Zyklus von der „Schönen Müllerin“ umrahmen zwei Strophenlieder im Volkston, „Das Wandern ist des Müllers Lust“ und „Des Baches Wiegenlied“. Birgt das erste Lied ein Versprechen, so bringt das letzte die Erfüllung. Der Müllersbursch liegt am Grunde des Baches – langsam, wie eine große, ewige Mutter wiegt ihn der Bach in den langen Schlaf.
Die hypnotische Kraft der Strophenwiederholungen wird verstärkt durch den Hauptrhythmus des Liedes: kurz-kurz-lang, kurz-kurz-lang – ein tröstender Wiegenrhythmus, ein leiser Wellenschlag. Das Auf und Ab der Klavierfiguren zeichnet ebenfalls Wellenbewegungen nach, während im Satz stilisierte Jagdhörner anklingen: Es war der Jäger, der dem Müller die Geliebte abspenstig machte und ihn so in die Verzweiflung trieb. Die höchsten Töne des Klaviersatzes fügen sich zu Tonwiederholungen zusammen: Als der Müller meinte, verrückt zu werden, hallte das Jagdhorn in seinem Kopf wie Hammerschläge. Irgendwann (im Lied „Die liebe Farbe“) besteht alles nur noch aus Tonwiederholungen – und dann, bald, geht der Müllersbursch ins Wasser. Dort wird alles eins: Müllers Liebe, sein Leben, sein Tod, das, was ihn berauschte, bedrückte – das Heiße und das Kalte, das Gute und das Böse, es berührt ihn nicht mehr. Alles wechselt ab wie Strophe auf Strophe, Welle auf Welle…