11.04.23

Teodor Currentzis an historischer Stätte

Wagner Weltatem neu entdeckt

Als Sinfoniker trat Richard Wagner niemals ins Licht der Musikwelt. Lorin Maazel allerdings schmiedete einst den „Ring ohne Worte“. Teodor Currentzis und das SWR Symphonieorchester interpretieren ihn.

Als vor wenigen Monaten durchsickerte, dass Teodor Currentzis im Rahmen der Herbstfestspiele ein Wagner-Programm dirigieren würde, wurden die Eintrittskarten fast über Nacht zur Mangelware. In der Süddeutschen Zeitung war danach zu lesen, wie energetisch sinnhaft das „Tristan“-Vorspiel an den imaginären irischen Strand wogte und dass der Rezensent die berühmt-berüchtigt abfallenden Triolen-Sechzehntel der „Tannhäuser“- Ouvertüre noch nie so sauber gehört habe. Beifall und Rezensionen fielen jubelnd aus, so dass eine Fortsetzung rasch herbeigeträumt wurde. Nun ist es soweit: Zu den Pfingstfestspielen lässt Teodor Currentzis mit „seinem“ SWR Symphonieorchester wieder die Wogen der Leidenschaft im „Tristan“-Vorspiel rollen und schließt dann den „Ring ohne Worte“ in der Bearbeitung von Lorin Maazel an. Der Dirigent schloss mit diesem Arrangement eine Lücke, die viele Wagnerianer bis heute schmerzt: der Komponist trat nie als Sinfoniker ins Licht der Musikwelt. Seinen „Ring“ schmiedete der Musikdramatiker bekanntlich für sein eigenes Festspielhaus in Bayreuth, das wenige Jahre zuvor eigentlich in Baden-Baden gebaut hätte werden können. Allein die Geschichte verlief anders und die Musikstadt an der Oos musste den Komponisten ziehen lassen und fast 15 Jahrzehnte warten, bis sie ein Festspielhaus eröffnen konnte, in dem heute Richard Wagners Musik-Magie zu erleben ist. Zuständig ist eine neue Generation an Dirigentinnen und Dirigenten. Yannick Nézet Séguin begeisterte vor Kurzem in Baden-Baden mit den „Rheingold“, und nun ist es Teodor Currentzis, der unter internationaler Beobachtung ins Wagner-Fach vor stösst. Dass die Magie dabei aus dem Orchestergraben hervorgeht, wissen Liebhaberinnen und Liebhaber dieser Musik natürlich. Nicht umsonst führen sie kaum eine Diskussion leidenschaftlicher als die über die Akustik eines Opernhauses, das Wagner Werke wogen lässt. Das Festspielhaus Baden-Baden hat seine „Wagner“-Taufe erfolgreich hinter sich. Und nun können Dirigent und Orchester in einer Top-Akustik auftrumpfen. Wie schrieb noch die F.A.Z. nach dem Wagner-Konzert mit Currentzis im Herbst: „Erotiker dürften es kaum aushalten. Mystiker werden selbst im Weltatem versinken.“