26.05.22

Schmaler Grat

Zuerst spielt Patricia Kopatchinskaja mit musikalischen Freunden aus dem SWR Symphonieorchester das Streichoktett des jungen Georges Enescu aus dem Jahr 1900. Selbstbewusst reizte Enescu die Tradition aus, mit großer Geste, melodischem Schmelz und kontrapunktischer Raffinesse – genial! Dann zeigt Patricia Kopatchinskaja auf großer Leinwand ihre Interpretation der „Ursonate“ von Kurt Schwitters.

Der schmiedete die ersten Pläne für sein Lautgedicht nur zwei Jahrzehnte später. Obwohl klanglich Welten dazwischen liegen, ist zwischen Schwitters und den letzten Spätromantikern nur passiert, was passieren musste: das große musikalische Erbe war ausgereizt, noch größer, noch komplexer, noch rauschhafter ging es nicht mehr. Der Turm zu Babel bricht zusammen, Schwitters nimmt es mit Humor und geht daran, aus den Trümmern Neues zusammenzusetzen. Daher vielleicht das „Ur“ in der Ursonaten: alles auf Anfang, alles ist möglich. Ein neues Spiel: Aus diesem Geist ist Patricia Kopatchinskajas Video der „Ursonate“ geboren: „Ich hatte schwarzen Stoff eingekauft“, erinnert sich die Künstlerin im aktuellen Festspielhaus-Magazin. „Damit wurde ein Zimmer bei mir zuhause ausgekleidet. Und dann hieß es: Okay, machen wir Commedia dellʼArte!“ Was dann passiert ist, davon gibt der Trailer zum Video eine Ahnung: Viel Freude – und bis zu Konzert und Vorführung am 6. Juni im Festspielhaus.