04.07.23

New Yorker Glamour zu den Sommerfestspielen

Yannick Nézet-Séguin und das MET Orchestra sind in Baden-Baden angekommen! Mit Mezzosopran-Star Joyce DiDonato eröffneten sie am 1. Juli die Sommerfestspiele 2023 und legten am zweiten Tag direkt nach: Angel Blue und Russell Thomas glänzten auf der Bühne in ihren Rollen als Desdemona und Otello. Unseren Rückblick auf das erste Wochenende finden Sie hier:

Zum Niederknien

Am ersten Wochenende der Sommerfestspiele gab es im Festspielhaus zwei Konzerte der Weltklasse. Es waren Sternstunden klassischer Musik.

Yannick Nézet-Séguin ist ein Energiebündel mit intensiver Körpersprache und Zeichengebung, er lässt das Orchester von der Leine und fängt es wieder ein, dirigiert nicht maestrohaft über die Köpfe hinweg, ist mittendrin; man spürt, wie er jeden einzelnen Musiker anspricht, ihn liebt. Atemberaubend, ihm zuzusehen, atemberaubend, dem Orchester zuzuhören. Besser geht es nicht.

Herzergreifende Arie

Wie Joyce DiDonato mit starker lyrischer und dramatischer, ja pathetischer Ausstrahlung zwei Arien der Dido sang, war umwerfend. DiDonato gestaltet diese Frau so authentisch, so verinnerlicht, dass sie eigene Tränen wegwischen musste und viele im Publikum auch. Der Dirigent kniete vor ihr nieder, stellvertretend für 2400 Menschen, die das erleben durften.

Offenburger Tageblatt

Mit grandiosem Galakonzert eröffnet das MET-Orchester die Sommerfestspiele

Nézet-Séguin, der wie ein Derwisch am Pult sein Orchester antreibt und kontrolliert, die Dynamik immer wieder zurücknimmt, kann sich ebenso wie bei den souveränen Streichern auf die Bläsersolisten seines Orchesters stützen. Was Nézet-Séguin aus der „Symphonie fantastique“ dank des seinen Intentionen minuziös folgenden Orchesters herausholt, ist frappierend.

Joyce DiDonato hat an dramatischer Kraft, Klangfarben, aber auch Ausdrucksvermögen gewonnen. So wird die Arie der von Aeneas Verlassen zu einem der Höhepunkte des ausverkauften Galakonzerts.

Pforzheimer Zeitung

Kanadischer Klangmagier

Es war ein Event der Superlative: die Eröffnung der Sommerfestspiele Baden-Baden mit einem Galakonzert anlässlich des 25-jährigen Jubiläums des Festspielhauses. Yannick Nézet-Séguin, der kanadische Klangmagier, ein Energiebündel auf dem Dirigentenpult.

Orchester und Dirigent nahmen die Bedingungslosigkeit der Berliozschen Musik ernst, sie musizierten kraftvoll zupackend, dabei dynamisch beglückend differenziert. Gemeinsam stürmten sie die Gipfel der Expressivität und der aufs äußerte gesteigerten Spannung. Sie wagten sich knapp an den Kipppunkt, an dem aus Musik ungeformter Lärm würde – das war ein kleiner, atemberaubender Schock, intensiv, berauschend, genial.

Badische Neueste Nachrichten

Orchester der MET glänzt

Angel Blue singt mit ihrem kraftvollen Spinto-Sopran eine ergreifende Desdemona, die ihren Tod erwartet. Als vor Eifersucht rasender Otello präsentiert Russel Thomas seinen gradlinig-kraftvollen Tenor.

Die klangliche Flexibilität und Wendigkeit des Orchesters entzündet sowohl bei Bernsteins „Sinfonische Tänzen“ aus der „West Side Story“ als auch der Fantasy-Ouvertüre „Romeo und Julia“ von Peter Tschaikowsky ein virtuoses Feuerwerk. Von lateinamerikanisch geprägter Rhythmik zum melodischen Schmelz des Maria-Themas von Bernstein schlägt Yannick Nézet-Séguin souverän den Bogen zur Dramatik von Tschaikowsky.

Was die Musikerinnen und Musiker beim Final-Akt aus „Otello“ leisten, ist aber schlichtweg phänomenal. So differenziert hört man diese Musik fast nie: ungemein schmiegsam und transparent, aber bei dynamischen Ausbrüchen stets die Klangschönheit bewahrend.

Das Festspielhaus toste

In Paris, London und Baden-Baden war die Reaktion des Publikums gleich: einfach baff angesichts der Präzision aller Orchestergruppen und ihrer blitzschnellen Interaktion, ihrer unfassbar ausdifferenzierten Farben, ja Klangräume für jede Melodie, jede Emotion, ihrer stilistischen Variabilität in jedem einzelnen Stück, ihrer olympischen Virtuosität vor allem im Blech. Da tobte das Festspielhaus und wollte seine Glücksbringer nicht mehr von der Bühne lassen. Auf die doppelte Präsentation als Opern- und Symphonieorchester waren die durchmischten Programme ausgerichtet, wobei sich Joyce DiDonato in den beiden Arien der Dido aus Berlioz' "Les Troyens" an imperialer Stimmkontrolle und maximalem Ausdrucksvermögen selbst übertraf. Sie versetzte sich rückhaltlos in die Psyche einer verlassenen Frau und ging mit ihrer Gesangsstimme bis an die Grenze des Sprechens, Weinens und Schreiens. das Ereignis des zweiten Abends waren die Instrumentalklänge, die Nézet-Séguin als Psychothriller inszenierte: gefährlich leise Kontrabässe, das stockende Englischhorn, ein aufwallendes Tremolo, dann der grauenhafte Todesstoß des Tutti - und Stille.

Frankfurter Allgemeine Zeitung