01.01.23

Musikalisches Panoptikum

Links vorne, mit Zwicker, Bart und prächtigen Koteletten, lächelt Offenbach: Wie schön, dass der deutsch-französische Weltbürger, der neben Genialität auch noch Witz und den Mut zur Aufmüpfigkeit besaß, so freundlich aus der „Ruhemshalle der deutschen Musik“ lächelt. Ganz vorn im Zentrum eine Szene, die sich in Baden-Baden abgespielt haben könnte: Bülow, Liszt und Wagner im Gespräch mit – Brahms vielleicht?

Bei so vielen Vollbärten ist es mitunter schwierig, die Gesichter dahinter den richtigen Namen zuzuordnen auf der prächtigen Zeichnung, die Wilhelm von Lindenschmit um 1867 anfertigte. Für den in Mainz geborenen und paneuropäisch ausgebildeten Historienmaler waren Aufträge dieser Art eine willkommene Verdienstquelle: Als Stich oder auch schon abfotografiert machten sie die Runde durch die Massenmedien der Zeit, durch Kataloge, Lexika oder Werke zur Kunst- und Kulturgeschichte. Freude machen Werke dieser Art bis heute, weil sie uns zeigen, mit welchen Augen man zur Entstehungszeit auf Komponisten und ihren Rang blickte – und weil es Spaß macht, zu probieren, wie viele der Damen und Herren man erkennt. Ganz oben thront Bach an der Orgel, Händel lauscht mit spitzen Ohren unter üppiger Perücke. Gleich neben Bach, gleichrangig, aber als der Jüngere weiter im Vordergrund, grübelt Beethoven – ganz links auf gleicher Höhe, mit Notenmappe: Mozart. Zu Füßen Beethovens wühlen die frühen Romantiker Schubert, Schumann und Mendelssohn in partituren. Und ja, gleich zu Füßen Schumanns, erkennen wir die langjährige Baden-Badenerin Clara Schumann – mit Pauline Viardot etwa, die in Baden-Baden in der heutigen Fremersbergstraße Hof hielt in ihrem Salon? Wer sich dort eingeladen fühlte, kam: Fürsten und Prinzessinnen, Staatsmänner, Literaten und eben auch Komponisten, von denen viele auf Lindenschmits „Ruhmeshalle der deutschen Musik“ zu entdecken sind. Man könnte Stunden damit verbringen.