Musikalische Verklärung
Pressestimmen zur Kurz-Residenz des London Symphony Orchestras in Baden-Baden
Zwei Tage, vier Werke, zweimal große Chormusik von Beethoven: Die Kurz-Residenz des London Symphony Orchestras mit Sir Simon Rattle in Baden-Baden hatte es in sich. Entsprechend vielschichtig waren auch die Kritiken der Musik-Rezensentinnen und –Rezensenten. „Sir Simon Rattle gelang mit den Solisten, dem London Symphony Orchestra und Chorus eine mitreißend gestaltete Interpretation von Beethovens selten zu hörendem Oratorium im Jubiläumsjahr des Bonner Meisters“, schreibt etwas Nike Luber über „Christus am Ölberge“ in den Badischen Neuesten Nachrichten. Ihre Kollegin Sarah Donata Schneider ergänzt auf der Internet-Plattform „Bachtrack“: „Hier wählte der in Liverpool geborene Dirigent eine klar konturierte, analytisch durchdachte Sprache, die in der klassisch-strengen Abfolge des Werkes zwischen Rezitativen, Arien und Duetten trotz herausragender Soli der Bläser jedoch wenig Raum für eben jene tiefenpsychologische Sprengkraft ließ, die Lisa Batiashvilis im ersten Teil des Konzertes erschuf. Neben Pavol Breslik, der Christus' Seelenqualen mit virgil-heroischem Tenor versah, Elsa Dreisig, die dem ihm erscheinenden Seraph durch ihren klar nuancierten Sopran auszeichnete und David Soar, der Petrus mit seinem tiefem Bass erdete, beeindruckte hier jedoch der London Symphony Chorus unter der Leitung von Simon Halsey mit vokaler Ausdruckskraft als Chor der Engel und verlieh der Leidensgeschichte, in welcher Ludwig van Beethoven sein eigenes Schicksal gespiegelt fand, am Ende einen Hauch musikalischer Verklärung. Sarah Donata Schneider“.
Dietrich Mack meint im Offenburger Tagblatt: „Von Wien frustriert, sehnte sich Beethoven nach London, hoffte auf großzügige Mäzene und tüchtige Musiker. Mit Sir Simon Rattle und seinem „London Symphony Orchestra and Chorus“ wäre er sicher glücklich geworden.“ Und sein Kollege Jens Wehn ist vor allem von Bergs „Lulu“-Suite am zweiten Abend begeistert: „Der Weg, den Rattle durch diese Musik einschlug, ist ein Erlebnis. Es ist als zöge der Dirigent die Orchesterfarben aus dem Ensemble heraus. Der Klang ist außergewöhnlich gut. Er balanciert zwischen Spalt- und Schmelzklang, lässt Farben sich vermischen (zum Beispiel im Ausgang des Rondos im 1. Satz) und gliedert sie streng, wenn im 2. Satz der Ostinato-Tumult losbricht. Eine Sogwirkung erotischer Art löst diese Musik aus: In Lulus Lied im 3. Satz bekennt sich Lulu als Femme fatale. Sopranistin Iwona Sobotka gibt der hoch gespannten Melodie ungeheuren Affekt.“
Über die mitreißende Interpretation der „Neunten“ von Beethoven noch einmal das Badische Tagblatt: „Simon Rattle und das London Symphony Ochestra and Chorus bestachen durch ihre erfrischend lebensbejahende Wiedergabe. Ihre Begeisterung und Spielfreude wirkte ansteckend. Spannungsvoll leuchteten Dirigent und Orchester die dynamischen Kontraste aus. Zupackend gestalteten sie die ausgefeilte Phrasierung. Die Holzbläser gingen ganz in ihrer Rolle auf, klangschöne idyllische Momente zu zaubern. Federnde Rhythmik, lebendige Tempi und präzises Spiel zeichnete die Wiedergabe durch das London Symphony Orchestra aus. Es war bestens auf Rattle eingespielt, der das Stück mit leichter Hand leitete.“