Pathos und Praxis
Moshe Leiser und Patrice Caurier inszenieren „Pique Dame“ bei den Osterfestspielen 2022
Mehrköpfiges Monster oder hippe Künstlerkommune?
Ein Regieduo mit festem Mitarbeiterstab wirft in der Welt der Diven und Alphatiere die Frage auf, mit wem man es hier zu tun hat. Wenn Künstler nicht gerade wilde Premierenpartys feiern, sind sie einsame Priesterinnen oder Priester ihrer Kunst.
Wer sich gegen dieses Klischee entscheidet und wie Moshe Leiser und Patrice Caurier als Duo und mit einem festen Mitarbeiterstab arbeitet, hat vielleicht Utopisches vor: Demokratie jetzt auch auf der Bühne? „Das gibt es nicht“, wiegelt Moshe Leiser ab. „Im Moment der Entscheidung ist jeder allein.“ Den Vorteil der Teamarbeit sieht er im Praktischen: „Gemeinsam lässt sich schneller herausfinden, was geht. Und vor allem: was nicht geht.“ Wie gut das funktioniert, zeigt sich in der Konzeptionsprobe für „Pique Dame“. Das Bühnenbild ist komplex, aber bestens vorbereitet, was Fragen der Umsetzung auf der Festspielhaus- Bühne und der Einsehbarkeit von allen Plätzen des Zuschauerraums betrifft. Moshe Leiser und Patrice Caurier möchten etwas erzählen, das bei jedem einzelnen Zuschauer im Saal ankommt.
Ob das gelingt, hängt für beide ganz maßgeblich vom Dirigenten ab. Von wohlwollender Gleichgültigkeit zwischen den Herrschern am Pult und auf der Szene wollen Leiser und Caurier nichts wissen: „Was nützt es, wenn sich die Sänger in einer Spielsituation so nahe kommen, dass sie einander ins Ohr flüstern – und der Dirigent lässt mezzoforte spielen statt piano?“, fragt Leiser. Maestri, die nach wochenlangen Proben dazukommen und „mit dem Stock wedelnd alles zunichtemachen, was wir mit den Sängerinnen und Sängern erarbeitet haben“, gebe es mehr als genug. Umso überschwänglicher berichten beide über Kirill Petrenko. Er wird von Probenbeginn an mit dabei sein im Festspielhaus. Patrice Caurier erinnert sich an außerordentlich fruchtbare und interessante Begegnungen im Vorfeld dieser ersten Zusammenarbeit: „Wir sind auf einer Linie.“ Leiser ergänzt: „Dass Kirill Petrenko wochenlang mit uns proben wird, ist der Beweis außerordentlichen Engagements und des Willens, diese Aufführungen auf höchstes Niveau zu heben.“
Die Geburt des Kunstwerks aus dem Geist der Zusammenarbeit: Hier flackert dann doch utopisches Pathos im Bühnenpragmatismus auf. Die Ironie, mit der Leiser und Caurier die Eigentümlichkeiten des Theaterbetriebs betrachten, steht in krassem Gegensatz zur Ernsthaftigkeit, mit der sie auf der Bühne erzählen wollen. Opernprunk und Darstellerglanz sind kein Selbstzweck, sondern Information für den Fortgang der Geschichte – und vor allem: „Wir müssen die Darsteller so in Szene setzen, dass die Musik ihren Sinn entfaltet.“ Das gebündelte Drum und Dran eines Opernbesuchs – von der Vorfreude beim Kartenkauf bis zum atemlosen Staunen, wenn die Geschichte erzählt und schließlich der letzte Ton verklungen ist – sei durch nichts zu ersetzen. Davon ist Moshe Leiser überzeugt. Alles andere wäre bloß „ein Konzert in Kostümen“. Und das, so viel steht fest, wird es in der „Pique Dame“ bei den Osterfestspielen auf keinen Fall geben.