15.03.21

Luft nach oben

Studie sieht in modernen Konzertsälen bei guter Lüftung kaum Gefahren für Ansteckungen

Solange Aerosole mit der verbrauchten Atemluft rasch nach oben abgesaugt werden können, erkennt eine neue Studie des Fraunhofer Heinrich-Hertz-Instituts in Theater- oder Konzertsälen aktuell keine besondere Ansteckungsgefahr.

Wie das Badische Tagblatt jüngst berichtete, führte der Experimentalphysiker Professor Wolfgang Schade eine entsprechende Studie auf Anregung des Konzerthauses Dortmund durch.

Die Ergebnisse: Zwei der entscheidenden Faktoren für eine günstige Risikobewertung lägen dabei im Raumluftvolumen eines Saales sowie in seiner Höhe. Je größer das Volumen und je höher die Absaugstelle für die verbrauchte Luft, desto besser, könnte man grob zusammenfassen.

Im Festspielhaus Baden-Baden wird die verbrauchte und erwärmte Atemluft in ca. 23 Meter Höhe über dem Publikum abgesaugt. Die gefilterte Frischluft wird so eingeleitet, dass die 23.000 Kubikmeter Raumluft alle 20 Minuten komplett ausgetauscht sind. Eingeblasen werden rund 138 Kubikmeter Frischluft pro Platz und Stunde. Ein Mensch verbraucht in der gleichen Zeit normalerweise etwa 30 Kubikmeter Luft.

Festspielhaus-Intendant Benedikt Stampa hält die Studie für sehr wichtig und dankt seinem Kollegen, Dortmunds Konzerthaus-Intendant Dr. Raphael von Hoensbroech, für dessen Initiative.

Benedikt Stampa sagt: „Der Vorteil dieser Studie sind ihre allgemein ableitbaren Ergebnisse. Ich bin mir sicher, dass sie in der künftigen Diskussion um die Öffnung von Kultureinrichtungen eine wichtige Rolle spielen.“

Professor Wolfgang Schade, der die Studie im 17 Meter hohen Zuschauersaal des Dortmunder Konzerthauses (Raumluftvolumen: 17.000 Kubikmeter) leitete, sieht moderne Theater- und Konzertsäle in der aktuellen Pandemie als Orte, in denen nicht mit besonderen Gefahren zu rechnen sei, so lange ein umfassendes Hygienekonzept strikt eingehalten wird. Er hält es sogar für möglich, dass in entsprechend ausgestatteten Säle auch gut 50 Prozent der Plätze besetzt werden könnten, ohne dass sich das Risiko wesentlich erhöhen würde.

Auch zu den Osterfestspielen in Baden-Baden würde der Professor aus Goslar kommen und sich bedenkenlos in den Saal setzen, verriet er dem Badischen Tagblatt. Allerdings würde er nicht mit dem Zug anreisen, sagte er der Kulturredaktion.

„Schachbrett“-Saalplan wird empfohlen

Die Studie mit den Daten aus dem Konzerthaus Dortmund sorgt derweil bundesweit für Hoffnung bei Kulturschaffenden. Auf seiner Website beschreibt das Konzerthaus Dortmund: "Die Studie erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Umweltbundesamt und Hygieneexperten. Es ist die erste veröffentlichte Studie, die das Ziel verfolgt, experimentelle Daten zur Beurteilung einer möglichen Corona-Ansteckungsgefahr bei Besuchen von Konzerthäusern zu gewinnen. Am 2./3. sowie 20. November 2020 wurden umfangreiche Messungen im Zuschauerraum und den Foyers des Konzerthauses vorgenommen. Die Auswertungen der experimentellen Untersuchungen zeigen, dass insbesondere im Saal unter den gegebenen Bedingungen die Gefahr der Übertragung von Infektionen durch Aerosolübertragung nahezu ausgeschlossen werden kann.

Vor allem die vorhandene zentrale Lüftungsanlage sowie das Tragen eines Mund-Nasenschutzes verringern die Aerosol- und CO2-Belastung stark, sodass theoretisch eine Vollbesetzung im Saal denkbar wäre. Unter Einbezug der Zuwege und Foyers wird jedoch eine Saalbelegung im Schachbrettmuster und damit 50 % der Saalkapazität empfohlen. Mit der Studie können neben konkreten Ergebnissen für einen Besuch im Konzerthaus Dortmund auch Aussagen für andere Konzerthäuser oder Theater ähnlicher Größenordnung getroffen werden."

Im Hygiene-Konzept des Festspielhauses Baden-Baden waren zuletzt im Herbst 2020 im "erweiterten Schachbreittmuster" 25 Prozent der Sitzplätze besetzt worden. Neben einem Seitenabstand wurde jeweils auch eine Reihe vor und eine Reihe hinter der belegten Sitzreihe sicherheitshalber gesperrt.