20.06.24

Himmlischer Zauber

Joyce DiDonato und Yannick Nézet-Séguin interpretieren Mahler

Tiefe Empfindung ohne Pathos – Weltschmerz gewürzt mit groteskem Humor: Diese Beschreibungen treffen auf Gustav Mahlers 4. Sinfonie in G-Dur aus dem Jahr 1901 zu. Und mittendrin verbeugt sich der Wegbereiter der Moderne vor den romantischen Literatur-Helden Clemens von Brentano und Achim von Arnim. Aus deren Sammlung „Des Knaben Wunderhorn“ entleiht Gustav Mahler das Lied „Das himmlische Leben“ und empfindet es als so ausgelassen kindlich, dass er auch gleich das Motiv „Es tanzt ein Bi-Ba-Butzemann“ in den ersten Satz seiner vierten Sinfonie einwebt. Man betrachtet spielende und singende Kinder, erschrickt vor der „Wahrheit“ aus dem Kindermund und seufzt ob des eigenen Alters – vielleicht so.

Immer wieder denkt Gustav Mahler, langjähriger Chef der Wiener Hofoper daran, „Opernhaftes“ zu komponieren und schreibt doch nie eine Oper. Er empfindet Seelenverwandtschaft zum Dichter, Übersetzer und Orientalisten Friedrich Rückert, dessen Lyrik ihn fasziniert. Am bekanntesten wurde dessen Gedicht „Ich bin der Welt abhanden gekommen“, das in der Orchesterfassung Mahlers besonderen Zauber entfaltet. Joyce DiDonato gilt als herausragende Mahler- Interpretin, die, wie der Komponist selbst, die Oper liebt und in Meisterkursen wie in Konzerten immer wieder beweist, dass ein Lied in eine Miniatur-Oper verzaubert werden kann.