28.10.22

Hexen auf dem Blocksberg

Berlioz‘ „Symphonie fantastique“ ist aus drei Gründen unbedingt hörenswert. Dann gibt es auch noch einen vierten Grund, mit dem man seinen Kindern und Enkeln beweist, wie smash klassische Musik sein kann („smash“ ist Jugendwort des Jahres 2022 und bedeutet etwa „Objekt der Begierde“ sein).

Erstens ist das Werk das erste repräsentative Beispiel für „Programmmusik“ in der Musikgeschichte: Die Sinfonie erzählt eine spannende Geschichte, die Berlioz auf einem Programmzettel vor der Uraufführung verteilte. Die „Episode aus dem Leben eines Künstlers, fantastische Sinfonie in fünf Teilen“ (so der Programmtitel) erzählt von einem Künstler und seiner unglücklichen Liebe. Mit dem Künstler meinte Berlioz sich selbst.

Zweitens ist das Stück die einzige von Anfang bis Ende wirklich romantische Sinfonie. Anders als vergleichbare Werke von Schumann oder Mendelssohn verzichtet das Werk auf jeglichen Klassizismus und probiert stattdessen die interessantesten Ideen aus. Die Sinfonie beginnt mit einem Schluss; im Orchester findet man Glocken, Harfe und Klavier; außerdem erfindet Berlioz regelrechte Filmtechniken wie Überblendung, Montage und Schnitte. Man kann kaum glauben, dass das Werk nur drei Jahre nach Beethovens Tod uraufgeführt wurde!

Drittens ist das Stück ein Beispiel für Berlioz‘ Goethe-Bewunderung. Im letzten Satz wird der Held auf den Blocksberg versetzt, wo ihm seine Geliebte als Oberhexe erscheint, die mit dem Teufel eine schwarze Messe feiert.

Und womit kann man mit dem Werk beim Nachwuchs punkten? (Grund Nr. 4): In Berlioz‘ Geschichte findet sich der Held deshalb auf dem Blocksberg wieder, weil er sich vergiften wollte, was zwar nicht klappte, aber zu einer spannenden Rauschvision führte. Berlioz selbst hat immer wieder Opium konsumiert, der letzte Satz gibt musikalisch Zeugnis davon. Auch sowas kann große Kunst sein! Und für die ganze Familie ein Spaß.