Geisterspiel
Schumanns romantisches Violinkonzert mit Patricia Kopatchinskaja
Die Geschichte des Schumann-Violinkonzerts liest wie ein Thriller, bei dem Helden und Schurken ihre Hände im Spiel haben. Und, als wäre das nicht genug, die Geister. Patricia Kopatchinskaja bringt das hochromantische und exzentrische Werk zum ersten Mal überhaupt ins Festspielhaus.
Für Schumann selbst schien es eine klare Sache zu sein. Inspiriert von der Kunst des jungen Geigers Joseph Joachim und beflügelt von der ersten Begegnung mit dem noch jugendlichen Johannes Brahms komponierte er das Violinkonzert in rund 14 Tagen Ende September/Anfang Oktober 1853. Schon für Ende Oktober war die Uraufführung mit Joseph Joachim geplant. Doch das Düsseldorfer Konzertkomitee wollte lieber das Beethovenkonzert hören, gleich danach brach das Ehepaar Schumann zu einer Konzerttournee auf – immer kam irgendwas dazwischen. Bis Schumann Anfang 1854 seinen Zusammenbruch erlitt.
Warum Clara Schumann, Johannes Brahms und auch Joseph Joachim, dem es zugedacht war, das Violinkonzert nach Schumanns Zusammenbruch und frühem Tod unter Verschluss hielten, ist nicht geklärt. Vielleicht, weil es zu kurz vor Schumanns Krankheit komponiert wurde und in der Erinnerung von Ehefrau Clara und den Schumannfreunden Brahms und Joachim zu eng damit verbunden war. Vielleicht, weil es so teuflisch schwer ist für die Solovioline, sie vor allem im ersten und im dritten Satz aufs Höchste fordert – ohne ihr in einer großen Solokadenz je ganz die Bühne zu überlassen. Im zweiten Satz, wo die Violine so wunderbar singen darf, tut sie es vor allem im tieferen Register: auch das ungewöhnlich, wenn nicht exzentrisch.
Und damit wie gemacht für eine Solistin wie Patricia Kopatchinskaja, die bei ihren letzten Auftritten im Festspielhaus das Publikum mit dem herausfordernden Schönberg-Violinkonzert von den Stühlen riss und mit zeitgenössischer Musik von Esa-Pekka Salonen begeisterte. Wenn Werke über die Stränge schlagen, bringt Patricia Kopatchinskaja sie dabei zum Tanzen und Singen.
Tanzen und singen durfte das Schumannkonzert lange nicht. Die Nationalsozialisten ließen es bei der Uraufführung im Jahr 1937 propagandistisch anbrüllen gegen das Violinkonzert des Schumann-Förderers und Freundes Felix Mendelssohn-Bartholdy. So viel zu den Schurken. Aber wo kommen die Geister ins Spiel? In der Musik selbst, denn im zweiten Satz klingt ein Thema an, von dem Schumann erzählte, die Geister von Schubert und Mendelssohn hätten es ihm diktiert. Und dann wären da noch die Séancen der Geigerinnen Jelly d’Arányi und Adila Fachiri. Auf einer davon, so berichteten sie, sei ihnen ihr Großonkel Joseph Joachim erschienen, gemeinsam mit Schumann. Die beiden Geistergrößen hätten sie aufgefordert, das in Archiven verschwundene Violinkonzert aufzuspüren. Gefunden wurde Schumanns Handschrift schließlich in der Staatsbibliothek zu Berlin.
Am Freitag, den 3. Mai geistert das romantische Konzert durch Kopf und Finger von Patricia Kopatchinskaja. Sie wird es für alle Zuhörerinnen und Zuhörer höchst lebendig machen.