Geheimnisvoller Zauber zum Finale
Es gilt, einen Zyklus zu vollenden. Johannes Brahms’ vier Sinfonien in Baden-Baden neu zu interpretieren bedeutet, aus der DNA dieses Sehnsuchtsortes zu lesen.
Zum Niederknien schön!“ – so urteilte die strenge „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ im vergangenen Jahr über Yannick Nézet-Séguins Interpretation der zweiten Sinfonie von Johannes Brahms in Baden-Baden. 2023 gilt es, den Zyklus aller vier Sinfonien aus der Feder des Wahl-Baden-Badeners Brahms zu vollenden. Mit dem Chamber Orchestra of Europe versammeln sich erneut beste Orchester-Solistinnen und -Solisten aus beinahe allen europäischen Ländern am Fuße des Schwarzwaldes, um Johannes Brahms zu ehren und Interpretationen seiner Musik für das 21. Jahrhundert zu finden. Die „aufgelichtete Klanglandschaft“ war laut „FAZ im ersten Teil des Zyklus der Schlüssel zu einem „neuen Brahms“, der auf authentische Streicher-Besetzungen und rhythmische Präzision Wert legte. Schnörkellos geht es zum Inneren: Das erinnert an die Lesarten eines Leonard Bernstein oder Nikolaus Harnoncourt.
Brahms’ dritte Sinfonie wurde 1883 in Wien von Publikum und Kritik überschwänglich gefeiert, wenngleich die Anhänger Richard Wagners und Anton Bruckners versucht hatten, jeden einzelnen Satz mit Zischen und Pfeifen zu kommentieren. Clara Schumann, wie Brahms eine Wahl-Baden-Badenerin, schrieb: „Welch ein Werk, welche Poesie, die harmonischste Stimmung durch das Ganze, alle Sätze wie aus einem Gusse, ein Herzschlag, jeder Satz ein Juwel! – Wie ist man von Anfang bis zu Ende umfangen von dem geheimnisvollen Zauber des Waldlebens! Ich könnte nicht sagen, welcher Satz mir der liebste?"
Zum Finale des Zyklus erklingt am gleichen Abend die vierte und letzte Sinfonie von Johannes Brahms. Sein Freund Joseph Joachim beschrieb sie so: „Sie hat sich mir und dem Orchester immer tiefer in die Seele gesenkt. Der geradezu packende Zug des Ganzen, die Dichtigkeit der Erfindung, das wunderbar verschlungene Wachstum der Motive noch mehr als der Reichtum und die Schönheit einzelner Stellen, haben mir’s geradezu angetan, sodass ich fast glaube, die e-Moll ist mein Liebling unter den vier Sinfonien.“