28.03.22

Festival im Festival

Kammermusik der Osterfestspiele - Mitglieder der Berliner Philharmoniker spiegeln Tschaikowsky

Der Tschaikowsky-Schwerpunkt der Osterfestspiele 2022 mit den Berliner Philharmonikern schlägt sich auch in der Kammermusikauswahl nieder. Von den 13 Kammerkonzerten sind die meisten der russischen Spätromantik gewidmet. Während jedoch russische Opern und vor allem russische Orchesterwerke sich großer Beliebtheit erfreuen, ist russische Kammermusik dieser Zeit eher unbekannt. Dabei ist diese Musik von herausragender Qualität und spricht auch das breite Publikum an - dank ihres Reichtums an Melodien aber auch der ungeheuren Emotionalität, die so charakteristisch für die russische Musik wurde.

Wegweiser Tschaikowsky

Mit seiner Kammermusik hat Peter Tschaikowsky für Russland Wegweisendes erschaffen. Als einer der ersten schrieb er ab 1870 Streichquartette, die über Salonmusik hinausgingen und sich im Standard an der Wiener Klassik orientierten. Das war ein Statement gegen das „Mächtige Häuflein“. Diese Gruppe russischer Komponisten stand westlichen Einflüssen skeptisch gegenüber und komponierte vor allem Orchester- und Opernmusik. Um diese Gräben zu schließen und russische Kammermusikproduktion generell voranzutreiben, veranstaltete der Verleger Mitrofan Petrowitsch Beljajew nach 1890 so genannte "Les Vendredis" in seinem St. Petersburger Salon. Diesen „Quartettfreitagen“ ist im Kammermusikprogramm eine eigene Veranstaltung gewidmet: „Der Philharmonische Salon“ (Kammermusik VIII) in der Orangerie vom Brenners Park-Hotel, moderiert und konzipiert von Götz Teutsch mit dem Philharmonischen Streichquartett und Cordelia Höfer am Klavier.

Hohe Emotionalität

Typisch für russische Musik in Nachfolge Tschaikowskys ist deren Emotionalität. Das gilt im besonderen Maße für die Kammermusik. Hier hat sich eine russische Eigenart herausgebildet, die auf das „Trio Pathétique“ von Mikhail Glinka zurückgeht, dem Begründer der russischen Kunstmusik. Dessen Trio für Klarinette, Fagott und Klavier verarbeitete einen Zusammenbruch des Komponisten und setzte den tragischen Ton, der von nun an typisch für russische Musik wurde – Tschaikowsky selbst wird seine sechste Sinfonie „Pathétique“ nennen. Nach Glinka griffen die Komponisten zum Trio, nun in der Standartbesetzung Violine, Cello, Klavier, um eine verstorbene Persönlichkeit zu ehren. Den Anfang machte wiederum Tschaikowsky. Sein zu Herzen gehendes Trio trauert um den Gründer des Moskauer Konservatoriums Anton Rubinstein. Auch die beiden Trios von Sergei Rachmaninow folgen dieser Tradition des musikalischen Denkmals – besonders eindrucksvoll im zweiten Trio, das Rachmaninow unmittelbar nach dem Tod Tschaikowskys in Angriff nahm. Das erste Trio des Tschaikowsky-Bewunderers Anton Arensky, Trauermusik für einen verstorbenen Cellisten, war um 1900 sogar das beliebteste Klaviertrio überhaupt, weit über die Grenzen Russlands hinweg. Arenskys zweites Streichquartett für Violine, Bratsche und zwei Celli huldigt ebenfalls dem verstorbenen Tschaikowsky – durch Übernahmen orthodoxer Kirchenmusik, wie man sie bereits im Tschaikowskys drittem Streichquartett findet.

So erwartet die Hörer des Kammermusikprogramms zu den Osterfestspielen eine emotionale Reise. Alle erwähnten Werke werden hier erklingen – zusätzlich zu weiterer Kammermusik, die oft genug einen volkstümlich beschwingten Kontrapunkt bildet.