Ein Fluch zum Feste
Das kann nicht gut ausgehen in „Cavalleria Rusticana“
Die Wahrheit kann grausam sein: Und weil der „Verismo“ die Wahrheit liebt, sind die Opern dieser spätromantischen Stilrichtung nicht zimperlich. Pietro Mascagni war ein Verismo-Pionier. In „Cavalleria Rusticana“ lässt er es vor der Kirche krachen.
Erlösung! Das feiern die Christen zu Ostern, dem höchsten Feste ihrer Religion. Erlösung vom Tod, Erlösung von den Sünden, Vertrauen auf ewiges Leben in Gottes Hand. In dieses feine Ostersüppchen, das jedes Jahr mit größtem Aufwand in Kirche und trautem Heime gerührt wird, einen Fluch zu spucken – das ist ein starkes Ding, und jedem Menschen mit einem Rest religiösen Sentiments wird es an diesem Wendepunkt in Mascagnis Oper kalt den Rücken herunterlaufen: „Te la mala Pasqua, spergiuro!“ – „Auf dich die bösen Ostern, Wortbrüchiger!“
Eifersucht und enttäuschte Liebe hexen der sizilianischen Bäuerin Santuzza diesen blasphemischen Fluch über die Lippen. Sie schleudert ihn Turiddu hinterher, auf dem Weg in die Heilige Messe, vor den Toren der Kirche, die er halt leider lieber mit der feschen (und vorm Altar mit einem anderen getrauten) Lola durchschreiten will.
Alles weitere spult sich ab wie ein Thriller. Denn Mascagni setzt auf Tempo, und wie jeder guter Horrorfilmer weiß er, was er zeigen muss und was im Verborgenen noch gruseliger ist als auf offener Szene. Auch musikalisch sind ihm drastische Mittel nicht fremd: Santuzza darf heiser fluchen, mit der Stimme beben, seufzen, flüstern – und auch mal kreischen. Aber doch, und da ist Mascagnis ganz Italiener: immer schön legato! Sämig wie ein Kürbissüppchen zu Halloween – aber scharf!