04.05.23

Denn sie sollen getröstet werden

Brahms´ dritte Violinsonate liebt die ganz schlichten Effekte und ist gleichzeitig ausgesprochen raffiniert. Vor allem umkreist sie ein Geheimnis.

Der „Messias“ von Georg Friedrich Händel beginnt mit einer Ouvertüre in e-Moll, nur damit das nachfolgende „Tröstet Zion“ in E-Dur anknüpfen kann. Trost, als Aufhellung von Moll nach Dur. Der große Händel-Bewunderer Johannes Brahms verwendete denselben Effekt in seiner dritten Violinsonate. Hier steht der erste Satz in d-Moll und der zweite in D-Dur. Auch diese Moll-Dur-Aufhellung wirkt ausgesprochen tröstlich. Doch wer soll getröstet werden? Hier wird die ursprünglich doch so schlichte Sache auf einmal ausgesprochen raffiniert. Selbst vielen Musikern, die die Sonate jahrelang gespielt haben, dürfte es entgangen sein: Im Finale der Sonate wird das Hauptthema des ersten Satzes auf den Kopf gestellt. Wo wir schon bei musikalischer Mathematik sind, schauen wir genauer hin: Die ersten drei Töne a-d-c werden in der Final-Umkehrung zu a-e-f. Spätestens hier ist jeder Brahms-Kenner elektrisiert. a-e-f: Das sind nicht zufällige Töne. Hier ist das f-a-e versteckt, das Motto des Schumann-Freundeskreises, welches auch Johannes Brahms immer wieder in seiner Musik verwendete. Es steht für „Frei, aber einsam“. Ebenso durfte sich auch der alte Junggeselle Brahms gefühlt haben – um sich dann mit seiner Musik selbst Trost zu spenden.

Nachfolgend das tröstende Adagio (2. Satz) in D-Dur aus Brahms´ dritter Violinsonate in einer Aufnahme mit den Künstlern unseres Konzertes Patricia Kopatchinskaja und Fazil Say:

https://open.spotify.com/intl-de/track/7sxDj4SvbaIDcBDkiOvR01?si=fb18d93ddf8e4392