Das Pfeifen im Walde
Was soll es in Mahlers Dritter bedeuten?
„Der Kuckuck hat sich zu Tode gefallen“, heißt es in Gustav Mahlers Lied „Ablösung im Sommer“. Nun soll uns „Frau Nachtigall“, als Inbegriff der schönen Musik, an seiner Stelle „die Zeit und Weil vertreiben“.
Dieses „mit Humor“ zu singende Lied nach einem Gedicht aus „Des Knaben Wunderhorn“ hat Mahler fast unverändert zum Ausgangspunkt des dritten Satzes seiner dritten Sinfonie gemacht. Zwar fehlt in diesem rein instrumentalen „Scherzando“ der Liedtext. Dass die beginnenden Bläser (die Streicher zupfen zunächst und spielen mit dem Holz ihres Bogens auf den Saiten) mit ihren leicht grotesken Naturlauten der Welt des nicht sonderlich begabten Sängers Kuckuck verbunden sind, ahnt man auch so. Nach circa 50 Sekunden eröffnen die nun mit den Bögen einsetzenden Streicher den Blick auf die Welt der Nachtigall.
Doch wie soll man das verstehen im Rahmen eine Sinfonie, die Mahler programmatisch als Aufstieg von der Natur zu allumfassender Liebe anlegte? Mahler selbst hat diesen Satz als „das Skurrilste und dazu wieder das Tragischste“ bezeichnet, „was je da war“, und diese Gleichzeitigkeit von Ironie, Sarkasmus, Ernst und Hoffnung ist es, die ihn ausmacht. Man darf die zutiefst romantischen Posthorn-Episoden genießen als schöne Musik schlechthin – oder sie gewollt kitschig finden. In jedem Fall haben sie am Ende keinen Bestand – drohende Posaunen treten an die Stelle der in die Ferne entschwundenen Posthörner.
von Klemens Hippel