28.10.22

Das jüngste Gerücht

Die „Messa da Requiem“ von Giuseppe Verdi löste nach ihrer Uraufführung 1874 in Europa ein ganz unterschiedliches Echo aus. Während italienische Augen- und Ohrenzeugen tief bewegt jubelten, reagierten deutsche Musik-Stars verhaltend bis böse ablehnend.

Hans von Bülow zerriss das Werk ungehört und damit gleich einmal gerüchteweise in der Luft, Cosima und Richard Wagner raunten, nur Johannes Brahms zollte Verdi Respekt und meinte, nur ein Genie könne solch eine Musik komponieren. Viele dieser frühen Neidereien und Lobhudeleien wirkten sich noch Jahrzehnte später auf die Rezeption des Requiems aus. Und wie ein überzeugter Atheist überhaupt ein Requiem komponieren könne, fragte manch bekennender Christ. Giuseppe Verdis Ehefrau Giuseppina schrieb: „Man spricht viel von dem mehr oder minder religiösen Empfinden eines Mozart, Cherubini und anderer, die allesamt Messen komponiert haben, ohne deshalb ihren Stil zu verleugnen. Warum sollte nicht auch ein Verdi wie Verdi schreiben und den Text seinen eignen Empfindungen gemäß ausdrücken?“

Transzendent wird das Requiem gleich zu Beginn. Der Komponist Ildebrando Pizzetti beschrieb diesen Anfang sehr anschaulich: „Mit diesem ‚requiem‘, das von einer unsichtbaren Menge über der langsamen Wellenbewegung weniger Grundakkorde geflüstert wird, fühlt man unmittelbar die Furcht und die Trauer jener Menge angesichts des Geheimnisses des Todes: und auch in jener anschließenden Modulation, bei ‚lux perpetua‘, wird die Sehnsucht der Menge nach Trost und ewigem Frieden hörbar. Man SIEHT förmlich zunächst einen undurchdringlichen Schatten und dann ein klares, sanftes Licht. Auf diese Weise ist die Musik mehr als ein rein lyrischer Ausdruck, sie ist Vergegenwärtigung von Trauer und Hoffnung.“