Brahms´ Nord-Süd-Gefälle
Die beiden Klavierkonzerte von Johannes Brahms unterscheiden sich sehr voneinander. Anhand zweier Musikbeispiele können wir ihren Eigenarten nachspüren.
Nordseesturm und Alpenidylle: So ließe sich der Stimmungsgehalt der beiden Klavierkonzerte von Johannes Brahms auf den Punkt bringen. So erinnert die stürmische d-Moll-Einleitung des ersten Klavierkonzertes an ein Gewitter und ließe sich etwa mit Wagners Ouvertüre zum „Fliegendem Holländer“ vergleichen – Brahms Konzert wie Wagners Ouvertüre gehen übrigens auf Beethovens neunte Sinfonie zurück. Der lyrische Hornbeginn von Brahms´ zweiten Klavierkonzert lässt hingegen an Schubert denken. Schubertisch ist auch der Beginn von dessen letzten Satz. Sein Wiener Charme lässt vergessen, dass es sich bei dem B-Dur-Konzert um eines der klaviertechnisch anspruchsvollsten Klavierkonzerte überhaupt handelt:
Leere Virtuosität um ihrer selbst willen hat Brahms sowieso nicht interessiert. Besonders gut hört man das im Klavierkonzert Nr. 1 an einer zentralen Stelle: dem ersten Einsatz des Pianisten. Üblicherweise wird diesem hier Gelegenheit gegeben, technisch aufzutrumpfen und Muskeln zu zeigen. Nicht so im ersten Klavierkonzert. Fast schon sachlich lässt Brahms den Solisten ins musikalische Geschehen eintreten. Solche norddeutsche Zurückhaltung war charakteristisch für den jungen Komponisten.