Beethovens Beste
Vilde Frang und die Wiener Symphoniker unter Andrés Orozco-Estrada mit Beethovens Violinkonzert und der Siebten
Beethovens Violinkonzert sei für sie ein wenig wie die Mona Lisa, sagt Vilde Frang. Sie sehe das Lächeln, aber begreife es nicht wirklich: „Lächelt sie mir zu oder lächelt sie über mich?“ Der Norwegerin, die zweifelsohne zu den besten Geigerinnen ihrer Generation gehört und als Jahrhunderttalent gefeiert wird, sind plakative Superlative und Schubladen zuwider.
Kein Wunder also, dass Vilde Frang besonders für ihren kraftvollen, ehrlichen und niemals effektheischenden Musizierstil verehrt wird. Andrés Orozco-Estrada ist bereits seit seiner Studienzeit Ende der 90er-Jahre Wahlwiener. Seit der Saison 2020/21 liegt mit seinem Amtsantritt als 16. Chefdirigent der Wiener Symphoniker auch sein Arbeitsmittelpunkt in der österreichischen Hauptstadt. Für ihren ersten gemeinsamen Auftritt im Festspielhaus Baden-Baden am 5. März 2022 haben die Künstler neben dem Violinkonzert von Beethoven auch dessen siebte Sinfonie im Gepäck.
Originalität und mannigfaltige schöne Stellen
Ein echter Meilenstein der Musikgeschichte war die Uraufführung von Ludwig van Beethovens Violinkonzert op. 61 am 23. Dezember 1806. Sowohl die technischen Herausforderungen an den Solisten als auch die sinfonischen Ausmaße stellten alle vorausgehenden Werke dieser Musikgattung in den Schatten. Kaum zu glauben, aber die ersten Reaktionen auf Beethovens Violinkonzert waren sehr geteilt. Der „Zusammenhang werde oft ganz zerrissen“, merkte damals die Kritik an, „die unendlichen Wiederholungen einiger gemeiner Stellen könnten leicht ermüden.“ Erst vierzig Jahre nach der Uraufführung, als der Geiger Joseph Joachim die Komposition unter Mendelssohn aufführte, gewann das Werk an Popularität und fasziniert bis heute. Der Violinistin verlangt es hinsichtlich Technik, Formgefühl und Intellekt alles ab. Zunächst schweigt das Soloinstrument beim rund drei Minuten langen Orchestervorspiel. Dann steigt die Solostimme wie aus dem Nichts in Oktaven empor. Im Kopfsatz öffnet sich ein Klangraum von über 500 Takten, der gefüllt werden will – mit Ausdruck, Spannung und sanglicher Linie. Im Larghetto, dem langsamen Mittelsatz, treten dann Soloinstrument und Orchester in ein harmonisches Zwiegespräch. Es folgt das Rondo-Finale, forsch und federnd im Sechsachteltakt. Ein unverfänglicher, tänzerischer Kehraus. Wenn Vilde Frang am 5. März das Werk im Festspielhaus präsentiert, wird von Zerrissenheit und Wiederholungen sicher nichts zu spüren sein.
Beethovens größter Erfolg zu Lebzeiten
Von Anfang an auf Begeisterung stieß hingegen Beethovens siebte Sinfonie. Uraufgeführt wurde sie am 8. Dezember 1813. Das Konzert vor 5.000 Zuhörern war Beethovens größter Erfolg zu Lebzeiten und erhielt, so wurde berichtet, „großen Beifall“. Die siebente Sinfonie bezieht sich auf die Fünfte: stand dort Beethovens Schicksal beispielgebend im Mittelpunkt, so geht es hier um das Bild des Menschen allgemein. Richard Wagner bezeichnete sie als „Apotheose des Tanzes“, und in diesem Sinne kann man die Siebte als philosophische oder „griechische“ Symphonie verstehen.
Zum ersten Mal gemeinsam im Festspielhaus
Angetreten als Anne-Sophie Mutters Meisterschülerin, ist Vilde Frang heute die bekannteste Geigerin Skandinaviens und weltweit anerkannt für ihre große Virtuosität und den besonderen Klang ihres Spiels. Bereits als 12jährige wurde sie von Mariss Jansons für ein Debüt mit dem Oslo Philharmonic engagiert. Von 2003 bis 2009 war sie Stipendiatin der „Anne-Sophie-Mutter-Stiftung“ und 2012 wurde sie mit dem „Credit Suisse Young Artist Award“ ausgezeichnet. Regelmäßig spielt sie mit den führenden Orchestern der Welt zusammen; herauszuheben sind Aufführungen mit dem Philharmonia Orchestra, Gewandhausorchester Leipzig, SWR Symphonieorchester und den Berliner Philharmonikern. Im Festspielhaus Baden-Baden war sie schon mehrfach zu Gast, zuletzt bei den Osterfestspielen 2018. Vilde Frang musiziert auf einer Geige von Jean-Baptiste Vuillaume von 1866.
Energie, Eleganz und Esprit – das ist es, was Andrés Orozco-Estrada als Musiker besonders auszeichnet. Seit der Spielzeit 2020/21 bringt er diese Stärken als Chefdirigent der Wiener Symphoniker ein. Vorangegangene Höhepunkte seiner Karriere waren in der Spielzeit 2014/15 die Ernennung zum Chefdirigenten des hr-Sinfonieorchesters Frankfurt (bis Juli 2021) und zum Music Director beim Houston Symphony Orchestra. In Baden-Baden dirigierte er 2012 die Silvestergala.
Die Wiener Symphoniker zählen zu den internationalen Spitzenorchestern. Im Mittelpunkt der Arbeit des Klangkörpers steht die bewusste Pflege, nachhaltige Entwicklung und breite Vermittlung der traditionellen Wiener Klangkultur. Gleichzeitig hat sich das Orchester in seiner über 100-jährigen Geschichte mit Uraufführungen, Kooperationen und Programmen eine weltweite Reputation für seine künstlerische Innovationslust erarbeitet.