15.03.21

Auferstehung im Festspielhaus

Was kommt nach der „Begräbnis-Feyer“? Roland Moser antwortet mit einer Uraufführung auf Schubert

Neues Leben für „Franz Schuberts Begräbnis-Feyer“: Mit „Echoraum“ antwortet der Schweizer Komponist Roland Moser auf das mysteriöse Nonett, das Franz Schubert mit 16-Jahren komponierte – der Überlieferung nach für seine eigene Beerdigung. Am 8. März spielt das Kammerorchester Basel die Uraufführung von „Echoraum“ im Festspielhaus Baden-Baden. Roland Moser hat aufgeschrieben, was er sich bei der Komposition gedacht hat.

Roland Moser über „Echoraum“

nach Franz Schuberts Nonett D.79 („Franz Schuberts Begräbnis-Feyer“)

Der 16-jährige Franz Schubert schrieb am 19. September 1813 ein für uns ganz rätselhaftes kurzes Stück in es-Moll für 9 Blasinstrumente. Ob der Titel „Franz Schuberts Begräbnis-Feyer“ von seiner Hand stammt, ist umstritten. Sollte das für den Jungen eine Imagination des eigenen Begräbnisses sein? Dass Schuberts Nähe zu Todesgedanken immer wieder aus seiner Musik spricht, ist heute ein Gemeinplatz (vor hundert Jahren sah man seine Neigungen gemeinhin eher bei den Drei Mädeln oder im Tanzlokal). Es könnte hier einfacher sein: Am 26. August, also wenige Wochen davor, war der 22-jährige Dichter Theodor Körner im Befreiungskrieg gegen Napoleon bei Gadebusch gefallen. Körner, frisch in Wien, war das gewesen, was wir heute einen umschwärmten Shootingstar nennen. Gewiss hatte er auch den genialen Jungen stark beeindruckt. Aus dem kurz danach posthum erschienenen Gedichtband „Leyer und Schwerdt“ hat Schubert denn auch in kürzester Zeit elf Lieder und zudem ein ganzes Singspiel über einen Deserteur komponiert.

Die Form dieser Trauermusik ist von lapidarer Schärfe, bestehend aus einer zweiteiligen Melodie mit Wiederholungen, gespielt allein von zwei Hörnern. Durch eine auf diesen Instrumenten damals ungewohnte Chromatik entsteht durch Stopftöne ein seltsam bedrückter Klang, der in einem Triller auf dem Leitton fast ins Groteske kippt. Verblüffend danach der kräftige Einsatz aller neun Blasinstrumente, darunter auch Posaunen und Kontrafagott. Sie wiederholen genau das gleiche Stück samt Wiederholungen, aber ohne den fatalen Triller. Aus diesem schnörkellosen Insistieren entsteht eine Monumentalität ohne Wenn und Aber.

Meine Reaktion auf diese Komposition nimmt, gleichsam in einem „Echoraum“, die Idee der Vergrößerung auf. Wie vor Sonnenuntergang große, lange Schatten auf dem Boden sichtbar werden, sind die Motive in stark verlangsamter Bewegung zeitlich gedehnt. Das Instrumentarium erhält noch einmal eine Erweiterung um zwölf tiefe Streicher und Pauken. Im Wesentlichen läuft das Ganze Takt um Takt nochmals ab, bloß mit auskomponierten Wiederholungen. Die „Schicksalstonart“ es-Moll bleibt durchwegs spürbar – etwas erweitert, freilich.

Stand: 15.03.2021