26.03.24

Premierenstimmen zu „Elektra”

Osterfestspiele 2024

Nach langer Vorbereitung und vielen Proben feiert die Neuinszenierung von Strauss' „Elektra” ihre Premiere. Wie die Oper mit Spitzenbesetzung bei Publikum und Presse ankam und was die Beteiligten selbst nach einer gelungenen ersten Vorstellung sagen, sehen Sie hier.

Das sagt die Presse

„Geniales Wochenende - Fulminant inszenierte Elektra

Die Bühne hier: nichts als gigantische, sich verschiebende Betonstufen, unter denen das Geschehen – vielleicht am Fuß eines Tempels menschenfeindlicher Gottheiten – sich verdichtet, bis es ganz zweidimensional und deswegen noch krasser wirkt. Es ist die Opernhölle, und man ist hinterher glücklich, sie mit anderen durchlaufen zu haben. Kurz: Dies war eine großartige, bewegende Aufführung.
Das Besondere an Stölzls/Krenns Inszenierung ist die Rehabilitierung der Sprache des Werks. Der gesamte Text wird, dem Rhythmus der Musik folgend, per Video aufs Bühnenbild projiziert, was dem überwältigenden Klang einen beinahe ebenso eindringlichen optisch-grafischen Kontrapunkt entgegensetzt. Wie dicht, wie plastisch Hofmannsthals Sprache ist, wird sichtbar. Ganz visuell ist diese Regiearbeit ausgerichtet, mit expressionistischer Ästhetik spielend und mit Figuren wie von George Grosz. Wie in einem Stummfilm verrenken sie sich auf der Leinwand, begleitet von heftiger Gefühlsmusik.

Kirill Petrenko folgt diesem »filmischen« Konzept, er nimmt das Orchester zurück – schwierig genug beim frühen Strauss – und sorgt für transparente, manchmal sogar elegante Klänge. Damit gibt er den Stimmen Raum, die ihrerseits wieder Sprache werden können. Auf diese Weise eine verschüttete Potenz der Oper freizulegen, gelingt nur, wenn Sängerinnen und Sänger erstklassig sind. Hier sind sie es.

Alle darstellerisch auf der Höhe und Richard-Wagner-gestählt: Nina Stemme ist eine kraft- und geistvolle Elektra, Elza van den Heever eine makellose Chrysothemis, Michaela Schuster ist eine brillant-subtile Klytämnestra.

Stölzl, Krenn und Petrenko versuchen gar nicht, diese seltsame Oper zeitgenössisch begreiflich zu machen. Das Sperrige am Stück ist ja gerade seine düstere, zeitenthobene Strahlkraft. Glänzende Sängerinnen, beeindruckende Effekte und die Berliner Philharmoniker tragen dazu bei, dass das Rätsel Elektra ungelöst bleibt.“

Die Zeit

„Nina Stemme stars in an unforgettable Elektra in Baden-Baden

„The brilliant ensemble of singers embraced the difficult staging to present one of the most heart-wrenching and arresting performances of the opera I have ever experienced. Nina Stemme‘s voice seemed to acquire a whole new dimension upon her recognising her brother Oreste. She sang with extraordinary openness and tenderness, her voice carried aloft by the orchestra, soaring to a height of unimaginable beauty. There was not a dry eye in the theatre. Elektra is on stage for the entire 100 minutes, but Stemme showed no signs of fatigue, shading Elektra’s music with numerous colour palettes and dynamics. A performance to remember and cherish.“

Bachtrack

„ein echter Festspielabend“

Frankfurter Rundschau

„Fast das gesamte Libretto wird in einer von Judith Selenko und Peter Venus animierten Typographie auf die Stufen der Treppe projiziert. Sinn ergibt das aus mehreren Gründen: Erstens ist es die Regel und nicht die Ausnahme, dass man bei Elektra, Chrysothemis und Klytämnestra in der Oper nicht viel vom Text versteht. Die drei Frauen singen in einer Tonlage und unter hochdramatischem Druck völlig von ihrem Sprechregister entrückt, sodass der Sprachklang von vornherein verzerrt ist. Zweitens aber kann man nun so gut wie selten mitverfolgen, wie dicht Richard Strauss’ Monsterorchester von mehr als hundert Spielern der Sprache von Hofmannsthal auf den Fersen bleibt, wenn man denn solch ein Prachtorchester wie die Berliner Philharmoniker und einen derart wachen, peniblen, spannungsgeladenen Dirigenten wie Kirill Petrenko hat. In schärfsten, minutiös ausgefrästen Details kann man bei Petrenko die Partitur hörend mitlesen, ohne die Übersicht zu verlieren. Es ist ein höchst erregendes Vergnügen.

Stemme verfügt über große Kraft, über Wärme wie Schärfe gleichermaßen.
Schuster als Klytämnestra ist keine greise Scheuche: Aus ihrer Stimme sprechen jugendliche Sinnlichkeit und lachende Vergnügungssucht. Elza van den Heever als Chrysothemis stellt diesen irren Freaks die Stimme einer liebenden, wundersam unbeschädigten Seele entgegen. Johan Reuter als Orest mit Wotansstimme ist ein vokales Ereignis, das sofort in Bann schlägt. Und Wolfgang Ablinger-Sperrhacke gibt dem Aegisth jene aufgeregt flackernde Komik, die Strauss in diese Karikatur legte.“

Frankfurter Allgemeine Zeitung

„Die gesamte Inszenierung dominiert das Libretto den Bühnenraum, in Wort und Schrift. Aus diesem Labyrinth der Lettern ist kein Entkommen. Man kann solche Dauerprojektion auch als anstrengend, ermüdend, geschmäcklerisch oder monoton empfinden. Aber in seiner Penetranz spiegelt dieses Setting jene der Titelfigur wider. Hofmannsthals „Elektra“ ist ja der Versuch, die klaustrophobischen Seelenzustände der drei Frauenfiguren zu verbalisieren. Und Stölzls Bühne ist die klaustrophobische Beschreibung eines Raums. Selten dominieren Bilder so über die Dramatis personae wie in dieser Inszenierung. Etwas von expressionistisch angehauchter Filmkunst der 1920er Jahre.
Allen voran Nina Stemme. Die schwedische Sopranistin ist wohl die Elektra der Gegenwart. Die Exaltiertheiten dieser Frau, von der Hysterie bis zu den tiefsten seelischen Notständen vermag ihr dramatischer Sopran zu fokussieren. Die Sopranistin verfügt noch immer über ein spielerisches Arsenal an Gestaltungsmöglichkeiten, in den Ausbrüchen verwandelt sie sich in eine Furie, in den zartesten Momenten nimmt ihre Stimme den Charakter eines Kindes an. Wenn sie heuchelt wird ihre Stimme fast künstlich schön – rund und weich. Michaela Schuster, deren gewaltiger Mezzosopran nicht nur mit maximaler Textverständlichkeit punktet, macht diese Klytämnestra zur vokalen Profilstudie. Und Elza van den Heever in der Rolle der Chrysothemis gelingt es, die Aspekte ihres „Weiberschicksals“ mit Frische und Jugendlichkeit in ihrem Sopran einzufangen.
Kirill Petrenko fordert – und fördert ein nahezu unendliches dynamisches Spektrum zutage. Die Plastizität der Partitur findet eine kongeniale Umsetzung, beispielhaft sei hier nur das grausam-gruselige Gewusel im Orchestergraben hervorgehoben, bevor Chrysothemis „Orest ist tot!“ ausruft. Trotz aller visuellen und verbalen Wortakrobatik dieses Abends – deutlicher spricht keiner an diesem Abend als dieses Orchester. Beifallsstürme."

Badische Zeitung

„Flut der Wörter Im 111-köpfigen Riesenensemble ist jede kleinste Bläsergirlande zu hören. Die mehrfach geteilten Streicher runden den Orchesterklang, können aber auch Nadelstiche setzen. Die Zwischenspiele, die mit unmerklichen Bühnenverwandlungen einhergehen, gelingen atmosphärisch dicht. Vor allem aber ist Petrenko ein Meister der Balance, sodass das hervorragende Solistenensemble nie forcieren muss. Elza van den Heevers Chrysothemis hat in der Höhe ein intensives Leuchten, das die Sehnsüchte von Elektras Schwester nach einem normalen, friedlichen Leben zum Klingen bringt. Elektra hingegen ist nur auf Rache aus. Nina Stemme zeichnet mit ihrem so strahlkräftigen wie flexiblen Sopran ein genaues Psychogramm dieser tief verletzten Frau.“

Münchner Merkur

„Umjubelte Verfluchte
Die gefeierte Elektra hat die Osterfestspiele in Baden-Baden eröffnet. Jedes einzelne Wort diese Oper wird im radikalen, handwerklich perfekt umgesetzten Regiekonzept von Philipp Stölzl und Philipp M. Krenn inszeniert.“

Stuttgarter Zeitung

„Petrenko und die Berliner Philharmoniker spielen das aber auch keinen Deut versöhnlicher, sie toben sich aus, virtuos- kultiviert. Eine ungeheure Klanggewalt, messerscharfe Bläser, kompromisslose Moderne. Das Festspielhaus in Baden-Baden ist ja ein Riesenkasten, das größte Opernhaus Deutschlands mit 2500 Plätzen, und wer da jetzt im Parkett Mitte saß, fühlte sich laut umtost wie im Heavy-Metal-Konzert. Aber dann auch dieser großartig expressive Streichersound der „Berliner“: wie sich die Melodien, in allen Farben, geradezu in die Seelen bohren.“

Südwestpresse

„Und wieder waren Dirigent und Orchester das Ereignis einer nun wahrlich sensationellen Einstudierung. Dabei entlockt Petrenko seinem Elite-Orchester Klangfarben, die selbst eingefleischte Straussianer zum ersten Mal so wahrgenommen haben Seine Deutung von innen heraus übertönt nie die Sänger, gibt dem Ensemble die Chance zu geradezu subtiler Gestaltung. Michael Schuster macht mit viel Pianokultur aus der Klytämnestra eine eher verstörte Frau. Elza van den Heever kann die emphatischen Melodien der Chrysothemis ohne viel Kraftaufwand lyrisch erstrahlen lassen. Nina Stemme ist eine Elektra erster Klasse, die mit faszinierend vielen Farben und vokalen Gesten die Partie erfüllt. Sie kann ihre Stimme gleißend aufblühen lassen, singt aber immer mit hochdifferenzierter Diktion. Johann Reuter ist ein klangschön und kultiviert agierender Orest, Wolfgang Ablinger-Sperrhacke als Aegisth mehr als eine Karikatur. Vorzüglich sind auch die kleinen Rollen besetzt. Der Text von Hugo von Hofmannsthal wird in unterschiedlichen Schriftbildern auf den Bühnenraum projiziert; eine ungewöhnliche, aber gute Idee, denn erstens ist der Text absolut grandios und zweitens ist er für die Wirkung der Oper die halbe Miete. Am Ende sind alle tot. Und das letzte Textzitat folgt der Theaterfassung von Hofmannsthal mit dem Satz: „Diese Zeit, sie dehnt sich vor uns wie ein finstrer Schlund“. Das Publikum geriet durch den Abend in Ekstase – mit Recht.“

Die Rheinpfalz

"Genauer, leidenschaftlicher und packender kann niemand musizieren. Kein anderer Dirigent erzählt die Partituren von Richard Strauss detailverliebter, glühender, packender als Petrenko. Die Überpräsenz des Textes macht den darin brodelnden Hass und die Frustrationen geradezu unerträglich erlebbar. Angestachelt von Dirigent Petrenko meißelt Nina Stemme als Elektra Hasstirade auf Hasstirade gegen die Mutter, die ihr den Vater nahm.
Die sich immer wieder öffnenden Bunkerräume der Bühne sind zu niedrig, um aufrecht darin stehen zu können. Nina Stemmes Elektra verkrümmt also darin ihren Körper, sie heult gegen das Unglück ihres Lebens an, sie versucht sich den Zugang zu ein bisschen Glück mit lodernden Hochtönen zu ersingen.“

Süddeutsche Zeitung

Psycho-Thriller im Orchestersturm
Bravouröse „Elektra“ mit Kirill Petrenko und den Berliner Philharmonikern

Wie Nina Stemme in der grandiosen Aufführung zur Eröffnung der Osterfestspiele in Baden-Baden ihre Elektra in diesem auch szenisch überragenden Psycho- Schocker gestaltet, und wie Kirill Petrenko mit seinen Berliner Philharmonikern alle Facetten der mörderischen Strauss-Partitur in orchestraler Brillanz ausreizt, das macht diese Produktion zum höchst beeindruckenden Ereignis. [Durch das Bühnenbild] werden die äußeren und inneren Machtverhältnisse visuell deutlich: Stufe um Stufe arbeitet sich die in ihrem Treppenverlies gebückt Hausende nach oben, und Nina Stemmes glutvoller Sopran wird von Petrenko von unerhört wilden Orchesterfarben getragen. Allein 40 Bläser, dazu die dreigeteilten Violinen und Bratschen erzeugen im atemberaubenden Spiel der Berliner Philharmoniker eine Art psychischer Polyphonie, die unter die Haut geht.“

Ludwigsburger Kreiszeitung

Antikendrama im Klangrausch
Inszenatorische Intelligenz und musikalische Höchstleistungen

Eine vielgestaltige Personenführung setzt mit ihrer minutiös aus den musikalischen Phrasen und Motiven abgeleiteten Mimik und Gestik die inneren und äußeren Konflikte der Protagonisten spannungsreich zueinander in Beziehung. Das Bühnenbild wiederum, das in seinen genauso klaren wie strengen Formen archetypisch gehalten ist, lässt dank vortrefflicher Lichtregie die rasch wechselnden emotionalen Stimmungen visuell changieren.
Mit glutvoller orchestraler Wucht und angemessen expressionistischer Deutlichkeit setzt Petrenko die Sogkraft von Richard Strauss‘ Partitur in farbenreichen Klang um, ohne dabei über die zahlreichen transparenten und zarten Zwischentöne hinweg zu musizieren. Und wie nuancierend er die Polyphonie der Stimmungen und Affekte auffächert.
Nina Stemme singt die Titelrolle mit prächtiger Strahlkraft und schier unermesslichem Stehvermögen, verfügt über Steigerungspotenziale bis zum finalen Totentanz. Ihre milde Schwester Chrysothemis findet in Elza van den Heever jene ideale Balance aus dramatisch empfundener Durchschlagskraft und mädchenhafter Stimmfärbung. Faszinierend, mit welchem Facettenreichtum Michaela Schuster die Vielschichtigkeit der Rolle von ihr aufgefächert wird, ihre unruhigen Tagträume genauso zur Geltung kommen wie ihr kurzes Triumphieren über Orests vermeintlichen Tod. Genauso sind die nachgeordneten Partien in Baden-Baden auf festspielwürdig hohem Niveau besetzt. Den Orest, von der Regie eindringlich als versehrten Kriegsheimkehrer wie Borcherts Beckmann in »Draußen vor der Tür« gezeichnet, singt Johan Reuter edelbaritonal ergreifend. Seine Stimme wirkt markant, aber nie schwer. Wolfgang Ablinger-Sperrhacke überzeugt klar artikulierend und metallisch hell timbriert in der Charakterrolle des Aegisth. Bei den kleineren Rollen lassen die blühende Stimmschönheit von Lauren Fagans fünfter Magd und der robuste junge Diener von Lucas van Lierop aufhorchen. Solide und zuverlässig: der Prager Philharmonische Chor in der Einstudierung von Lukáš Vasilek.

Insgesamt also eine von inszenatorischer Intelligenz und musikalischen Höchstleistungen getragene Premiere, welche die Osterfestspiele Baden-Baden einmal wieder als Leuchtturm der Strauss-Interpretation zeigt.“

Reutlinger Generalanzeiger

„Klanggewaltige „Elektra“ zur Eröffnung der Osterfestspiele Baden-Baden

Zum Auftakt der Osterfestspiele in Baden-Baden gibt es Bravorufe und stehende Ovationen für dieses außergewöhnliche musikalische Erlebnis.

Und kein Wunder, dass auch die herausragenden Stimmen der differenziert agierenden Sängerinnen gefeiert werden. Nina Stemmes dramatischer Sopran lässt Schauer über den Rücken laufen, wenn sie den Tod ihres Geliebten Vaters Agamemnon betrauert und vor Wut bebt, wenn sie seine Ermordung durch ihre Mutter Klytämnestra und deren Geliebten Aegisth nicht verwinden kann. Stemme geht in dieser Rolle auf – stimmlich und darstellerisch.
Verzweiflung und kaltes Kalkül: Michaela Schuster, verleiht der Klytämnestra genau diese ambivalenten Züge – nicht nur in ihrem Spiel, sondern vor allem in ihrer Stimme. Unfassbar eindringlich und differenziert gestaltet sie diese anspruchsvolle Rolle.
Ebenso herausragend in diesem Damen-Trio ist Elza van den Heever als Chrysothemis, die auch stimmlich mit ihren Kolleginnen bestens mithalten kann.“

Pforzheimer Zeitung

„Petrenko réussit une fois de plus la quadrature du cercle. Vifs jusqu'à être haletants, ses tempi installent d'emblée une tension qui ne se relâchera pas. La puissance de feu surhumaine des Berliner se fait tranchante, oubliant toute velléité de confort. Mais ce n'est pas tout ! Les décibels ne sont jamais un but en soi, cette barrière sonore restant toujours transparente, riche d'une palette de couleurs et de plans sonores que l'on soupçonnait à peine.“

Le Figaro

„Kirill Petrenko qui fait rugir son orchestre. Oscillant entre terrible douceuret dechainements de violence, la phalange berli­ noise rayonne de toutes ses couleurs, tantöt sourdes et inquietantes, tantöt eclatantes et... tout aussi inquietantes.
Nina Stemme, une des plus grandes Elektra de l'histoire. A ses cötes, Elza van den Heever est une Chrysothemis brulante, fervente et majes­ tueuse, tandis que l'inoxyda­ ble Michaela Schuster campe une Clytemnestre terrifiante,
Philipp Stölzl et Philipp M. Krenn ont cree un espace melaphysique nimbe de couleurs ou transperce de neons criards, ou Je spectateur n'a aucune echappatoire possible, pas plus que les personnages broyes par ladestinee. Sur les marches de cet escalier sont projetes !es textes du livret, typographie et rythme entrant en resonance avec la musique de Richard Strauss, histoire de placer plus encore les sentiments extremes des differents protagonistes sous une loupe grossissante.“

Dernière Nouvelles d’Alsace